Antrag:
Der Magistrat wird aufgefordert, die Ausweisung von Bauflächen in Hallgarten vorrangig zum Zwecke der Schaffung preisgünstigen und damit bezahlbaren Wohnraums für junge Familien entweder auf städtischen Flächen oder aber nach dem sog. Zwischenerwerbsmodell zu betreiben.
Begründung:
Bei der bisherigen Ausweisung von Bauflächen in unserer Gemeinde fanden vornehmlich die Interessen der bisherigen Grundstückseigentümer Berücksichtigung, weniger die Interessen junger Familien mit einem normalen bzw. mittleren Einkommen. Teilweise wurde dies mit dem fortgeschrittenen Stadium der Bauleitplanung begründet, in dem man nicht mehr auf ein den Interessen von jungen Familien dienendes Modell, wie dem sog. Zwischenerwerbsmodell, umschwenken könne. Anders verhält es sich bei der im Grundsatz zu begrüßenden Ausweisung von Bauflächen in Hallgarten: hier steckt die Bauleitplanung noch in einem sehr frühen Stadium. Die Verfolgung des städtebaulichen Ziels der Deckung des Wohnbedarfs junger Familien mittels des sog. Zwischenerwerbsmodells ist noch problemlos möglich. Sie ist insbesondere dort geboten, wo städtische Flächen kaum oder gar nicht zur Verfügung stehen.
Wir leben am Rande des Rhein-Main-Gebietes, einer Region mit Bauland- und somit auch mit Baupreisen, die zu den höchsten in ganz Deutschland gehören. Einer stetigen Alterung der Bevölkerung kann nicht durch eine Bauleitplanung entgegengewirkt werden, die soziale Aspekte bei der Förderung der Ansiedlung junger Familien unberücksichtigt lässt. Gerade junge Familien mit einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen (sog. Normalverdienerhaushalte) sind oft nicht mehr in der Lage, die im Rhein Main-Gebiet und auch im Rheingau auf dem freien Markt verlangten Grundstückspreise zu bezahlen. Hinzu kommt in der Stadt Oestrich-Winkel eine künstliche Verknappung auf dem Mietwohnungsmarkt aufgrund der Nachfrage durch Studenten der European Business School (EBS) und teilweise auch der Hochschule in Geisenheim.
Mit einer freien Ausweisung von Bauflächen zu Marktpreisen kann dem Wohnbedarf gerade junger Familien mit normalen Einkommen nicht mehr hinreichend begegnet werden. Zum Zwecke des städtebaulichen Ziels der Schaffung von Wohnraum für junge Familien wird der Magistrat daher aufgefordert, im Wege des Zwischenerwerbsmodells günstige Bauflächen für die avisierte Bevölkerungsgruppe zu schaffen. Dies dient auch langfristig der Bindung von Familien und Mitbürgern aus Normalverdienerhaushalten an unsere Stadt, der langfristigen Aufrechterhaltung einer sozialen und altersadäquaten Durchmischung der Bevölkerung und letztlich auch der Förderung der örtlichen Infrastruktur. Dieses Modell ist insbesondere dort geboten, wo städtische Flächen zur Baulandausweisung nicht oder nicht in hinreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Der Begriff Zwischenerwerbsmodell steht für ein Vorgehen im Rahmen der Bauleitplanung, bei dem eine Gemeinde den Grundstückserwerb mit der (späteren) Baulandausweisung verknüpft. Eine Spielart des Zwischenerwerbsmodells ist das sog. Einheimischenmodell. Die Gemeinde erwirbt vor Beginn eines Bauleitplanverfahrens einzelne oder sämtliche in einem Plangebiet liegenden Grundstücke. Da es sich hierbei regelmäßig um reines Bauerwartungsland handelt, sind die Ankaufspreise im Vergleich zu Bauland moderat. Nach dem Erwerb der Flächen erfolgen eine Beplanung, Neuparzellierung, ggf. die Erschließung und eine Veräußerung an die vorgesehene Bevölkerungsgruppe. Den Interessen der bisherigen Eigentümer wird dadurch Rechnung getragen, dass diesen ein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für Bauerwartungsland angemessener Preis gezahlt wird und/oder dass von diesen nur Teilflächen erworben werden, verbunden mit der Aussicht, das ganze (Rest-)Grundstück in den Bebauungsplan aufzunehmen, und/oder dass diesen ein vergünstigter Rückerwerb von (Teil)Flächen ermöglicht wird.
Die Rechtmäßigkeit des Vorgehens ist je nach Planungsfortschritt auf die einzelnen Gebiete bezogen abzustimmen. Eine Verknüpfung von Grundstückserwerb und Baulandausweisung ist grds. zulässig, wenn der gemeindliche Grundstückerwerb im Zusammenhang mit einer Baulandausweisung städtebaulichen Zielen dient. Die Stadt Oestrich-Winkel kann so den Zwischenerwerb zur Sicherung und zur Umsetzung von Zielen der Bauleitplanung einsetzen. Hier ist insbesondere auf die Ziele in § 11 S. 2 Nr. 2 BauGB abzustellen, wie z. B. die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen und die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung. Zur Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnversorgungsproblemen zählt auch die Ansiedlung junger Familien. Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr junge Familien mit durchschnittlichen Einkommen aus unserer Stadt in Regionen mit niedrigeren Baulandpreisen verdrängt werden, wie etwa in Teile von Rheinhessen, in den Hunsrück, in das Nassauer Land oder in das Mittelrheintal.
Finanzielle Belastungen für die Stadt Oestrich-Winkel sind hiermit langfristig nicht verbunden. Infolge der hohen Nachfrage nach Bauland im Rhein-Main-Gebiet ist damit zu rechnen, dass die angekauften Flächen nach Beplanung und Erschließung wieder kostendeckend und vollständig veräußert werden können. Auch anfallende Finanzierungskosten können im Rahmen der Gesamtkalkulation abgedeckt werden.