„Viel versprochen, wenig gehalten“ / Hauptamtlicher Erster Stadtrat entbehrlich
Seit Mitte Dezember ist der neue Bürgermeister Kay Tenge 100 Tage im Amt. Im Wahlkampf hat er den Bürgern in einem an alle Oestrich-Winkeler verteilten 100-Tage-Programm viel versprochen, an dem man ihn „messen kann“. Nun, nach über 100 Tagen im Amt, zeigt sich aber bei genauerer Betrachtung, dass viele der vollmundigen Versprechen aus dem Wahlkampf entweder nicht umgesetzt sind, bereits vor der Amtszeit des neuen Bürgermeisters angestoßen oder vom Stadtparlament initiiert und beschlossen wurden – nicht aber vom Bürgermeister.
Der Bürgermeister musste bereits eingestehen, dass die Punkte aus seinem 100-Tage-Programm tatsächlich gar nicht umsetzbar gewesen wären, das aber auch nie der Plan gewesen sei. „Solch eine Aussage treffen Politiker seltsamerweise immer erst nach und nie vor einer Wahl“, ärgert sich die SPD.
Positiv könne man aber immerhin festhalten, dass die Verwaltung auch seit Monaten ohne hauptamtlichen Ersten Stadtrat reibungslos funktioniert und keines der unterstellten Horrorszenarien eingetreten ist – im Gegenteil. Diese jährlich über 100.000 Euro können nach Ansicht der SPD also besser investiert werden als in einen zweiten hauptamtlichen FDP-Politiker an der Verwaltungsspitze, von dem CDU und FDP noch nicht einmal Berufserfahrung geschweige denn eine Berufsqualifizierung erwarten. Das Argument, dass es hier um eine spürbare Entlastung der Verwaltung und des Verwaltungschefs geht, ist damit entlarvt.
Die einzelnen Versprechen aus dem 100-Tage-Programm bilanziert die SPD wie folgt:
Versprechen 1: „Der Bahnhof muss schön und nutzbar gemacht werden“
In der Tat haben nun nach längerer Verzögerung die Bauarbeiten zum barrierefreien Umbau des Bahnhofs begonnen. Zurück geht das allerdings auf Beschlüsse der Stadtverordneten vor der Amtszeit des Bürgermeisters, die Teilnahme am Förderprogramm sogar auf eine SPD-Initiative.
Versprechen 2: „Das Koepp-Gelände braucht Klarheit und eine saubere Zukunft“
Im Bürgermeisterwahlkampf hat der Bürgermeister das Gelände noch selbst kaufen und vermarkten wollen. Die SPD und Werner Fladung haben stets darauf hingewiesen, dass das unrealistisch ist. Jetzt ist klar: Ein Investor soll das Gelände erwerben und entwickeln, nicht die Stadt.
Versprechen 3: „Das Thema Windräder in unserer Landschaft muss vom Tisch“
Das war es bereits lange vor Amtsantritt des Bürgermeisters durch einen Bürgerentscheid.
Versprechen 4: „Die neue Oestricher Sportanlage bekommt einen neuen Standort“
Es gibt keinen Standort für eine neue Oestricher Sportanlage.
Versprechen 5: „Für einen neuen Kindergarten finden wir einen guten Platz“
Bisher wurden für mehrere hundert Tausend Euro Grundstücke an der Hauptverkehrsstraße Schillerstraße mit viel LKW- und PKW-Verkehr gekauft. „Einen guten Platz“ für die Kita gibt es aber noch nicht.
Versprechen 6: „Das Rathaus geht digital in die Zukunft und wird klimaneutral gestellt“
Hier sind keine Maßnahmen seit Amtsantritt bekannt.
Versprechen 7: „Das scharfe Eck in Oestrich wird neu und freundlich gestaltet“
In der Tat sind hier die Planungen ausgeschrieben – der Beschluss durch die Stadtverordneten zur Teilnahme am entsprechenden Förderprogramm ist aber bereits mehrere Monate alt.
Versprechen 8: „Der Mittelheimer Parkplatz an der Basilika wird begrünt“
Der Parkplatz ist grau wie eh und je. Die geplante Förderung im Rahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes war wie beim „Scharfen Eck“ bereits lange vor Amtsantritt des neuen Bürgermeisters vom Parlament beschlossen.
Versprechen 9: „Der Kerbepatz in Winkel wird zu einem Ort der Begegnung“
Auf Initiative des Winkeler Ortsbeirats wird nun eine Hütte mit Strom- und Wasseranschluss angeschafft – nicht auf Initiative des Bürgermeisters.
Versprechen 10: „Der Radweg nach Hallgarten wird endlich fertiggestellt“
Radfahrer sollten besser nicht mit dem Fahrrad von Oestrich nach Hallgarten entlang der Kreisstraße K 634 fahren.
Versprechen 11: „Wir werden in unserer Stadt wieder mehr zusammen feiern“
Sehr gerne, u.a. bei dem von privater Initiative geplanten Kranjubiläumsfest. Aber auf Initiative des Bürgermeisters? Fehlanzeige. Im Papierkorb gelandet ist hingegen das von CDU und FDP mal für teuer Geld geplante Stadtfest.
Versprechen 12: Es wird Wohnraum in leerstehenden Gebäuden entwickelt
Fehlanzeige.