Als eine der ersten Maßnahmen nach der Kommunalwahl möchten wir die von CDU und FDP in dieser Wahlperiode leider ad acta gelegten Planungen für einen Bestattungswald oberhalb der Siedlung Rebhang wiederaufnehmen. Zwischenzeitlich hat Sturm Erik bekanntlich einige Schäden im Wald angerichtet, was erforderlichenfalls zu berücksichtigen ist.
Leider wenig passiert
Die vergangenen fünf Jahre waren verlorene Jahre für diese alternative und in der Bevölkerung immer stärker geschätzte Bestattungsform. Das zeigen auch die Rückmeldungen aus der SPD-Bürgerumfrage „Die Beste Idee für Oestrich-Winkel“ und viele Gespräche mit Mitbürgern. CDU und FDP hatten die bereits fortgeschrittenen Pläne zu Beginn dieser Wahlperiode mit ihrer knappen Mehrheit ad acta gelegt. Als Alternative wollten sie die vier städtischen Friedhöfe „parkähnlicher“ gestalten und zu „Erlebnisräumen“ umgestalten. Passiert ist hier nur leider wenig – was die geplante „Erlebnisräume“ angeht zum Glück, denn Friedhöfe sind Orte der Ruhe und des Gedenkens, keine Erlebnisräume“, wie wir finden.
Warum ein Bestattungswald? Die traditionelle Erdbestattung im Reihengrab ist immer weniger gefragt, die Nachfrage nach Urnenbeisetzungen – und diese auch außerhalb des herkömmlichen Friedhofs – nimmt dafür deutlich zu. Diesen Wunsch gilt es von der Stadtpolitik zu berücksichtigen. Wir möchten nicht, dass Menschen, die zum Teil ihr Leben lang in Oestrich-Winkel zuhause waren, weiterhin gezwungen sind ihre letzte Ruhe in einer anderen Stadt zu suchen.
Waldbestattungen als Ergänzung zu bestehenden Bestattungsformen
Nicht zuletzt ist die Diskussion über die Bestattungsformen auch eine Zeit- und Kostendiskussion: Vielen Angehörigen fehlt heute die Zeit und/oder das Geld für die Grabpflege. Als Alternative bleibt dann oft nur die anonyme Bestattung, die es auch auf Oestrich-Winkeler Friedhöfen gibt. Sie ist aber keine gleichwertige Alternative zu einer Baumbestattung, weil den Angehörigen und Freunden der Ort der Trauer fehlt. Ein Grabstein ist bekanntlich mehr als nur als nur ein Namensschild mit Lebensdaten. Ein Bestattungswald mit seinen Baumgräbern bietet eine moderne, auch kostengünstige Alternative zu der traditionellen Friedhofskultur und berücksichtigt dabei Tradition und veränderte Gesellschaftsstrukturen.
Was ist ein Bestattungswald?
Ein Bestattungswald ist in seinen Grenzen durch einen flachen Naturzaun (z.B. in Abständen liegende Baumstämme) als „friedhöfliches Flurstück“ gekennzeichnet und öffentlich zugänglich. Er ist wie die klassischen Friedhöfe religiös neutral gestaltet und hält ausschließlich Baumgrabstätten vor. Dabei handelt es sich um Urnenwahlgräber in Sonderlage mit einer Nutzungsdauer wie auf den klassischen Friedhöfen.
Die Baumgrabstätten können von Familienbäumen bis zu Einzelbäumen verschiedene Typen der Bestattung zulassen, wobei die Lage im Einvernehmen mit dem Nutzungsberechtigten bestimmt wird.Die Grabflächen sollen in naturbelassener Form erhalten sein. Bepflanzungen und Pflegemaßnahmen erfolgen ausschließlich durch die Stadt bzw. einem anderen Betreiber. Grabschmuck ist nicht zulässig. Für jeden Verstorbenen wird eine kleine bronzene Schriftplatte an dem Baum der Grabstätte angebracht, die Angaben wie auf einem herkömmlichen Grabstein beinhalten kann, aber beispielsweise auch eine anonymisierte Zahlenkombination oder Initialen.
Der Bestattungswald mit seinen Baumgräbern bietet eine moderne, auch kostengünstige Ergänzung zu der traditionellen Friedhofskultur und berücksichtigt dabei Tradition und veränderte Gesellschaftsstrukturen. Das Friedhofskonzept knüpft an die christlichen Traditionen an. Die Agenden für die christlichen Feiern am Grabe erinnern daran, dass der Mensch „Erde ist und zur Erde werde“ (vergl. Gen. 3,19) und dass darum der „Leib in Gottes Acker gelegt wird, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staube“. Die naturnahen Grabstätten des Waldfriedhofs folgen in anschaulicher Form diesem christlichen Grundgedanken.
Die Idee der Waldbestattung ist noch recht jung. Gerade zu Beginn wurde besonders aus kirchlichen Kreisen starke Kritik an dieser Wald- und Baumbestattung geübt. Inzwischen zeigt sich auch in der katholischen Kirche eine Akzeptanz der Urnenbestattung in sogenannten Bestattungswäldern. So hat Kardinal Marx, damals Bischof im Bistum Trier, seinen Pfarrern unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, Baumbestattungen durchzuführen.
Auch die evangelische Kirche hat einen Rahmen entwickelt, innerhalb dessen Baumbestattungen vorstellbar sind. So sind in jüngster Zeit sogar Baumbestattungsfriedhöfe entstanden, die in kirchlicher Trägerschaft stehen.
Die Befürchtung, dass durch die Einrichtung eines Bestattungswaldes der Stadt Einnahmen aus Bestattungsgebühren verloren gehen, ist unbegründet. Ganz im Gegenteil wird es für die Bürgerinnen und Bürger Oestrich-Winkels dann nicht mehr notwendig, auf bereits bestehende Waldfriedhöfe, z. B. in Taunusstein, Wiesbaden oder gar Dachsenhausen, auszuweichen, sondern auch den Menschen aus umliegenden Gemeinden böte sich die Gelegenheit, ortsnah einen Ruheplatz im Wald zu reservieren.
Was ist bis jetzt in Oestrich-Winkel in dieser Sache passiert?
2012 beschloss die Stadtverordnetenversammlung auf Initiative der SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Errichtung eines Bestattungswaldes oberhalb der Siedlung Rebhang in einem dafür geeigneten Waldstück. Leider wurden die Pläne verwaltungsseitig (CDU Bürgermeister) nicht mit Nachdruck verfolgt, dass sie in der laufenden Wahlperiode zum Abschluss gebracht werden konnten. 2016 – nach der Kommunalwahl – beschloss dann eine Mehrheit aus CDU und FDP in der Stadtverordnetenversammlung das Ende der Planungen und weiterer Umsetzungsschritte für einen Bestattungswald. Stattdessen sollten die städtischen Friedhöfe zu parkähnlichen „Erlebnisräumen“ umgestaltet werden. Passiert ist seitdem wenig. Wir verwehren uns dagegen, dass Friedhöfe zu Erlebnisräumen umgestaltet werden. Friedhöfe sind Orte der Ruhe und Besinnung, des Trauerns. Wogegen nichts spricht ist eine parkähnlichere Gestaltung. Das alles ist und darf aber kein Widerspruch zu einer Bestattungsform im Wald sein. Wir sehen es als Ergänzung, denn: Eine moderne und bürgernahe städtische Bestattungskultur bietet verschiedene Alternativen und engt die Entscheidungsmöglichkeiten nicht unnötig ein.