Die SPD-Fraktion Oestrich-Winkel zeigt sich nach den ersten städtischen Gremiensitzungen erschrocken über den nach ihren Worten „desolaten“ Zustand der städtischen Finanzlage. Wie berichtet, planen Bürgermeister Kay Tenge und FDP-Stadtrat und Kämmerer Björn Sommer eine massive Erhöhung der Grundsteuern, um das Loch im städtischen Haushalt zu stopfen.
„Bürgermeister und Erster Stadtrat haben vor der Kommunalwahl am 14. März den Zustand der städtischen Finanzen bewusst verschwiegen, um ihre Parteien im laufenden Kommunalwahlkampf nicht zu belasten. Während FDP-Spitzenkandidat Björn Sommer im März als Wahlkämpfer noch versprochen hat, keine Steuern und Abgaben zu erhöhen, legt der Stadtrat und Kämmerer Björn Sommer im April nun eine massive Erhöhung der städtischen Steuersätze vor. Die Vorlage sieht eine Erhöhung der Grundsteuern von über 60 Prozent bei der Grundsteuer A und fast 35 Prozent bei der Grundsteuer B vor. Aber kein einziger Sachverhalt ist vom Himmel gefallen, Tenge und Sommer hätten schon viel früher die Stadtverordneten über die bevorstehende Haushaltslage mindestens sensibilisieren können. Nur aus reiner Wahltaktik haben sie die Pläne erst kurz nach der Wahl öffentlich gemacht“, erklärt SPD-Fraktionschef Carsten Sinß.
Dem nicht genug, wollte die Verwaltungsspitze die Vorlage ursprünglich auch noch im Hauruckverfahren durch das Stadtparlament bringen. Die ehrenamtlichen Magistratsmitglieder hatten nur vier Tage Beratungszeit, die vielen neuen Stadtverordneten hätten sogar nur drei Tage gehabt. Erst durch Intervention der SPD- und Grünen-Stadtverordneten wird es nun Sondersitzungen des Haupt- und Finanzausschusses und der Stadtverordnetenversammlung geben, um wichtige Beratungszeit zu gewinnen: „Über 500 Seiten Beratungsunterlagen in nur wenigen Tagen zu beraten, das ist unmöglich. Vielleicht hätte ja eine CDU-/FDP-Mehrheit das Ganze als Tischvorlage ungesehen durchgewunken – mit der SPD ist das aber nicht zu machen“, so Sinß.
Dem nicht genug bieten die bisher vorgelegten Unterlagen aus Sicht der SPD noch keine Grundlage für eine seriöse Haushaltsberatung auf Augenhöhe zwischen hauptamtlicher Verwaltungsspitze und den ehrenamtlichen Stadtverordneten. Viele Fragen sind in der ersten Ausschussberatung offen geblieben und die vorgelegten Unterlagen ermöglichen den Stadtverordneten keine Diskussion über Einsparmöglichkeiten: „Während sich der zuständige Kämmerer Björn Sommer kaum zu Wort meldete, konnten einige unserer Fragen glücklicherweise von einem Verwaltungsmitarbeiter geklärt werden. Wir erwarten für die nächsten Ausschusssitzungen deutlich mehr Initiative vom Ersten Stadtrat und Kämmerer“, so Dominic Dillmann, Mitglied im Haupt- und Finanzausschuss.
Die SPD sieht sich mit dem vorgelegten Haushalt in der Kritik an der Wahl von Björn Sommer zum bezahlten hauptamtlichen Ersten Stadtrat bestätigt: „Für uns war es von Anfang an keine gute Idee, jemandem die Stadtkasse anzuvertrauen, der sich ohne jeglichen Berufsabschluss auf diese Stelle beworben hat und über keinerlei Verwaltungserfahrung verfügt“, erklären die Sozialdemokraten. Und wenn man bedenkt, dass CDU und FDP den jetzigen Kämmerer seinerzeit als ausgewiesenen Finanz- und Wirtschaftsexperten verkauft haben, hätten wir bei der jetzigen Finanzlage mehr erwartet als einfach mal die Steuern zu erhöhen – das ist der einfachste und unkreativste Weg.“, so die SPD.
„Was wir jetzt brauchen, ist ein umfassender Kassensturz. Die SPD wird einen umfangreichen Fragenkatalog erarbeiten und auch mit Blick auf die kommenden Jahre Maßnahmenvorschläge für eine strukturelle Konsolidierung der städtischen Finanzen einfordern, die strukturell aus dem Ruder zu laufen scheinen. Davor hatten wir in der Vergangenheit stets gewarnt und sehen uns nun bestätigt. Alleine die Personalausstattung ist heute deutlich höher als vor zehn Jahren und auf der Leitungsebene wieder so besetzt wie zu Zeiten der Einführung der hauptamtlichen Stadtrats-Stelle, als dafür mehrere Leitungsstellen weggefallen waren. Bürgermeister und Erster Stadtrat tragen die Verantwortung und müssen jetzt auch selbst Vorschläge liefern: Bisher liegen keine substanziellen Sparvorschläge vor. Eine Steuererhöhung ist keine Konsolidierung, sondern unkreativ und nur das letzte Mittel. Als SPD werden wir alles tun, um die Belastung für die Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten. Dabei müssen aber alle mitmachen.“, so Sinß abschließend.